Vor dem spannenden Euro-League-Finale gegen die Glasgow Rangers: Exklusiv-Interview mit SGE-Aufsichtsratschef Philip Holzer
Seit 2010 ist Investment-Banker Philip Holzer Mitglied des Aufsichtsrats der Eintracht Frankfurt Fußball AG, im Juni wurde er zum Vorsitzenden gewählt. Seit Holzer die Geschehnisse bei der Eintracht aktiv mitgestaltet, wurde der Bundesliga-Club sukzessive auf ein solides Fundament gestellt und hat sich auch sportlich weiterentwickelt. Am kommenden Mittwoch (18.5./21.00) steht im Estadio Ramon Sanchez-Pizjuan zu Sevilla vielleicht das emotionalste und medienwirksamste, kurz- und mittelfristig betrachtet aber wohl das wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte an.
Weil die Eintracht die Bundesliga lediglich auf Platz 11 beendete, garantiert deshalb nur ein Sieg über den schottischen Vize-Meister Glasgow Rangers in der kommenden Saison weitere Europapokal-Spiele und durch die gleichbedeutende Champions-League-Teilnahme auch dringend benötigtes Finanzkapital, damit Sportdirektor Krösche die anstehende Kaderplanung entspannt angehen kann und keine Leistungsträger verkaufen „muss“?
Auch Holzer und die Sportjugend Frankfurt verbindet viel
Philip Holzer und die Sportjugend Frankfurt verbindet ebenfalls eine existentiell entscheidende Situation. Dank einer ad hoc 30.000 Euro-Spende des von Holzer geführten Vereins „Business for Sports e.V.“ im Jahr 2012 konnte das von der Sportjugend Frankfurt (auf Wunsch der Kommune) ins Leben gerufene und bis heute sehr gut besuchte Box-Camp Gallus vor der Schließung gerettet werden. Die Schließung stand kurz bevor, da der 10.000 Euro-Zuschuss der Kommune nicht ausreichte und andere fest zugesagte privaten Spenden ausgeblieben waren. Seither freut sich die Sportjugend Frankfurt in Philip Holzer einen ausgewiesenen Förderer des Frankfurter Jugendsports als verlässlichen Partner an der Seite zu haben, dem auch der SJF-Vorstand und unsere jugendlichen Gäste für Sevilla die Erfüllung seines persönlichen Eintracht-Traums wünschen.
Hier das Interview mit Philip Holzer vor dem Europa-League-Finale:
SJF-Journal: Sie sind im Juli 2022 fast exakt zwei Jahre Vorsitzender des Aufsichtsrates von Eintracht Frankfurt. In Ihrer noch jungen Amtszeit gelang den Profis zunächst die Qualifikation zur Europa-League und nun der Finaleinzug mit der Möglichkeit durch einen Sieg über die Glasgow-Rangers kommende Saison sogar in der Champions-League zu spielen. Ganz ehrlich, war das Ihr Plan zum Amtsantritt, ein Traum oder einfach nur Zufall?
Holzer: „Zu meinem Amtsantritt hatte ich ein großes Ziel: Wir wollten die seriöse und erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre fortsetzen. Seit dem Erfolg im Bundesliga-Relegationsspiel 2016 in Nürnberg haben wir inhaltlich, personell und strukturell viel bewegt. Wo wir heute stehen, basiert deshalb weder auf einem Traum noch auf einem Zufall.
„Seit 2016 haben wir bei der Eintracht viel bewegt“
Vielmehr auf harter Arbeit von uns allen, an der ich auch vor 2020 in meiner langen Zeit als Vorsitzender des Finanz- und Prüfungsausschusses und Mitglied des Hauptausschusses beteiligt war. Dass wir in den vergangenen zwei Jahren trotz Corona solche sportlichen Erfolge erzielen konnten, freut uns natürlich alle sehr. Selbst wenn sich der Erfolg im Sport bekanntlich nur schwer planen lässt, da auch manches vom Spielglück abhängig ist, haben wir viele richtige Entscheidungen getroffen und durch eine gute Zusammenarbeit vom Vorstand der AG und des Aufsichtsrats die Weichen dafür gestellt, dass sich unser Club in den vergangenen Jahren gesund weiterentwickeln konnte. Und auch das Team rund um unsere Mannschaft leistet großartige Arbeit. Das bisher Erreichte erfüllt mich daher ein wenig mit Stolz.
„Wenn wir gewinnen und dadurch in der kommenden Saison die Champions-League Hymne in unserem Stadion erklingen würde…“
Schließlich sind wir erst der dritte Klub in der Geschichte, der unbesiegt in das Finale der Europa League einziehen konnte. Dabei haben wir gegen viele namhafte Gegner groß aufgespielt. Über allem steht natürlich die Nacht von Barcelona, aber auch die Aufeinandertreffen mit West Ham zuletzt waren absolute Höhepunkte. Für mich persönlich wäre es nun in Sevilla gegen die Glasgow Rangers die Erfüllung eines lang ersehnten Traums, wenn wir den Pokal gewinnen und dadurch in der kommenden Saison die Champions League-Hymne in unserem Stadion ertönt. Das wäre umso spektakulärer, da unsere Bundesliga-Mannschaft der Frauen dieses Ziel ja am Wochenende schon erreicht hat.“
SJF-Journal: Zu Beginn dieser Saison gab es bei der Eintracht bekanntlich gravierende, nicht unbedingt harmonisch verlaufende personelle Veränderungen im Profibereich. Manches Medium sprach sogar vom „Chaos-Club“. Neuer Sportvorstand, neuer Chef-Trainer und eine neu zusammengestellte Mannschaft, deren Spieler in Frankfurt kaum jemand kannte. Was warIhrer Meinung nach der entscheidende Faktor, dass diesen Unruhen zu Saisonbeginn eine solide Bundesligasaison folgte und Europa weit begeisternde internationale Auftritte?
Holzer: „Die Unruhen zu Saisonbeginn waren das Ergebnis zahlreicher Spekulationen Dritter, auf die wir leider keinen Einfluss nehmen konnten. Intern haben wir stets die Ruhe bewahrt und uns von außen, zum Beispiel durch Medien, nicht unter Druck setzen lassen. Inzwischen wird auch allgemein anerkannt von Fachleuten und Fans, dass wir im vergangenen Sommer keine überstürzten, dafür aber gute Entscheidungen getroffen haben.“
„Wir haben uns von Medien nicht unter Druck setzen lassen“
Wir setzten viel Vertrauen in unsere mit Bedacht ausgesuchte sportliche Führung und das neu formierte Team, Die Zusammenarbeit funktionierte reibungslos. Alle Räder haben ineinandergegriffen und trugen letztlich dazu bei, dass wir gute Ergebnisse erzielen konnten, selbst wenn in der Bundesliga und im DFB-Pokal nicht alles nach Wunsch lief. Vor allem auf der europäischen Bühne haben wir inzwischen unsere schärfsten Kritiker überzeugt. Die Begeisterung und Sympathien für unsere Eintracht sind bundesweit und international riesengroß.“
SJF-Journal: In der Tat drückt man in ganz Deutschland der Eintracht im Endspiel die Daumen. Ein Sieg in Sevilla würde nicht nur das Image der Eintracht und des gesamten deutschen
Profifußballs stärken, er würde auch finanziell eine hervorragende Ausgangsposition für die Eintracht in der kommenden Saison schaffen. Sportchef Krösche könnte mit „besten Karten“ in Verhandlungen mit neuen Spielern gehen und sich auch bei Kaufinteressenten für Eintracht-Stars wie Kostic, Kamada, Ndicka oder Hinteregger völlig entspannt die Angebote anhören. Wie wichtig ist deshalb ein Sieg in Sevilla für die Eintracht-Zukunft?
Holzer: „Unser letzter internationaler Titelgewinn liegt 42 Jahre zurück, damals konnten wir ihn im UEFA-Pokal nach zwei Endspielen gegen Borussia Mönchengladbach feiern. Dass nun ein neuer Erfolg in der Europa League finanziell und sportlich enorm positiven Einfluss auf unsere Arbeit haben wird, ist klar. Wir sind aber auch unabhängig davon in unseren Planungen für die neue Saison ziemlich weit und haben bereits einige attraktive Neuzugänge unter Vertrag genommen.
„Wir haben schon attraktive Neuzugänge unter Vertrag“
Über die Details der weiteren Personalentscheidungen reden wir dann, wenn die Zeit gekommen ist. Jetzt konzentrieren und freuen wir uns erst mal auf das Finale in Sevilla. Das gilt auch für unsere Fans, unsere Stadt und den gesamten deutschen Fußball. Dieses Duell zweier europäischer Traditionsklubs wird sicher viele Emotionen auslösen, Millionen Fans in Deutschland werden mitfiebern und viele Menschen aus ganz Europa werden am Mittwoch von dem spannenden Spiel in seinen Bann gezogen werden. Das ist jetzt erst einmal das Wichtigste!“
„Der Eintracht-Job ist für mich eine Berufung“
SJF-Journal: Sie waren lange Jahre als Investmentbanker und Vorstand bei Goldman Sachs international erfolgreich. Inwieweit hilft Ihnen diese verantwortungsvolle sicher nicht immer stressfreie Berufserfahrung bei Ihrer aktuellen Tätigkeit, und was hat Sie eigentlich motiviert sich dieser Herausforderung bei Eintracht Frankfurt zu stellen?
Holzer: „Gerade nach den vergangenen zwei Jahren als Aufsichtsratsvorsitzender bei Eintracht Frankfurt musste ich feststellen, dass diese Funktion ein Vollzeitjob ist. Für mich persönlich ist es aber auch und viel mehr eine Berufung, die ich voller Leidenschaft wahrnehme und der ich gerne folge. Wie alle Verantwortungsträger eines Vereins trage auch ich die Eintracht in meinem Herzen und bin bestrebt, sie mit all meinem Wissen und meinen Kompetenzen weiter voranzubringen. Gerade während unserer Reisen durch Europa bin ich vielen Mitgliedern der Eintracht-Familie begegnet, die es mir vor Augen geführt haben, wofür sich all die Arbeit lohnt. Fußball ist und bleibt einer der wenigen Klebstoffe, der unsere auseinanderdriftende Gesellschaft zusammenhält. Ein Klebstoff, für den es sich einzusetzen lohnt, um die Menschen erreichen zu können.“
SJF-Journal: Bei der Sportjugend Frankfurt haben wir Sie auch als großzügigen Unterstützer von Jugendsport-Projekten kennenlernen dürfen. In diesem Zusammenhang die Frage, wie Sie es weiterhin schaffen bzw. was Sie motiviert – trotz Ihrer Position als Aufsichtsratsvorsitzender und Unternehmer – das Thema Jugendsport weiterhin im Fokus zu behalten und zu unterstützen?
„Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben!“
Holzer: „Ich hatte sehr viel Glück in meinem Leben. Aus diesem Grund versuche ich stets, Verantwortung zu übernehmen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Vor allem an die junge Generation. Gerade bei sozial benachteiligten Familien bleibt die Förderung von Projekten und Aktionen für Kinder und Jugendliche oft auf der Strecke. Daher unterstütze ich sehr gerne solche interessanten und wertvollen Initiativen, mit denen Sport und Bildung miteinander verknüpft werden können, wie dies beim Boxcamp Gallus der Fall ist. Es ist mir wichtig, etwas gezielt für den Sport an der Basis tun zu können, um mich damit auch für die Arbeit vieler Ehrenamtlicher revanchieren zu können.“
SJF-Journal: Zum Schluss natürlich die obligatorische Ergebnisfrage: Wie geht die Partie gegen die Glasgow Rangers aus?
Holzer: „Ich werde mich auf kein Ergebnis festlegen. Aber ich hoffe natürlich inständig, dass die Eintracht am Mittwoch in Sevilla gewinnt und wir tags darauf in Frankfurt auf dem Römerberg ein großes Fest feiern können. Für unsere Anhänger und unsere Stadt wird das dann ebenso wie für die Spieler und alle Eintracht-Verantwortlichen sicher ein unvergessliches Erlebnis.“
Das Interview führte SJF-Pressesprecher & Redaktionsleiter Jochen Golle